Erneute Bestätigung des Berliner Altflicker-Gewerks (Schuhflicker) vom 23. März 1399


Wir Rathmannen von Alt-Berlin, alte und neue, bekennen öffentlich für uns und alle unsere Nachfolger im Rath, dass die ehrsamen Altflicker, Mitbürger der genannten Stadt Berlin, uns ihren Freiheitsbrief, der ihnen vor alten Zeiten von unseren Vorgängern im Rathe zu Berlin verliehen und der mit unserem größten Stadtsiegel versehen ist, mit der Bitte vorgelegt haben, ihnen ihre alten Privilegien von neuem zu bestätigen, da ihre frühere Urkunde sehr schadhaft zu werden anfinge, und ihnen auch etliche andere Statuten zu genehmigen und zu verstatten. In Ansehung der Dienste, Vortheile und des Nutzens, den die gedachten Altflicker und ihre Vorfahren der Stadt erwiesen haben und ihre Nachkommen in künftigen Zeiten noch erweisen wollen, haben wir ihnen Kraft dieser Urkunde erlaubt und zugestanden, alle Freiheiten und Rechte, die sie seit Anbeginn dieser Stadt besessen haben, zu genießen, sonderlich in folgenden Stücken.

Erstens sollen sie alle Felle und Häute kaufen können, deren sie zu ihrer Schusterarbeit bedürfen. Zweitens mögen sie die alten Schuhe, die ihnen zur Ausbesserung übergeben, besohlen und mit neuem Oberleder versehen. Drittens, wenn einer ihrer Genossen mit Weib und Kind aus der Stadt anderswohin verzieht, soll er die Mitgliedschaft des Gewerks verlieren, und muß sie erst wieder gewinnen, wenn er es wünscht.

Wer ferner von den vorgenannten Altflickern an den folgenden Punkten fehlt, der soll es büßen mit der festgesetzten Strafe. Erstens: wenn Jemand stirbt aus ihrer Gilde, soll jedes Mitglied derselben, Mann oder Frau, das dem Todtenamte beizuwohnen versäumt oder der Leiche nicht folgt zum Grabe, oder bei der Seelenmesse und dem Todtenopfer fehlt, drei Pfennige in die Kasse geben. Ferner, wenn ein ehrsames Mitglied der Innung stirbt, mag seine achtbare Frau nach seinem Tode in der Innung bleiben bis zu ihrer Wiederverheirathung, und auch nach dieser, wenn die Genossenschaft es gestattet. Wer sodann an Feiertagen in der Stadt seiner Arbeit nachgeht, der soll ein halbes Pfund Wachs entrichten. Kein Genosse, der seine Gewerksmitgliedschaft von den Rathmannen erhalten hat, soll Gras auf dem Markte feilhalten, oder der Stadt und den Gütern der Bürger Schaden zufügen, bestehen diese in Wiesen, Holzungen oder Acker, widrigenfalls er in die höchste Strafe der Innung, drei Schillinge Berlinischer Pfennige, verfällt. Unterläßt er es trotzdem nicht, so kann ihm der Rath eine willkürliche Strafe auferlegen.

Wer die Morgensprache versäumt, verfällt in die höchste Strafe der Innung, in drei Schilling-Pfennige; versäumt er sie aber aus Gleichgültigkeit oder Nichtachtung, so soll er seine Meisterschaft verlieren. Auch soll kein Kumpan in der gehegten Morgensprache ein längeres Messer bei sich tragen, als ein gewöhnliches Brodmesser zum Brodabschneiden. Wer in der Morgensprache mehr Speisen oder Getränke zu sich nimmt, als zu seines Leibes Nothdurft dient, also dass er sich brechen muß, es sei Mann oder Frau, der soll drei Schilling-Pfennige geben. Wer in die Innung der Altflicker treten will, der soll geben den Rathmannen sechs Schilling-Pfennige für das Gewerk, zehn Schillinge für das Bürgerrecht, und den Innungsmitgliedern sechs Schillinge derselben Münze und zwei Pfund Wachs; junge Leute aber, die in der Innung geboren und aufgewachsen sind, sollen, wenn sie dieselbe gewinnen, den Rathmannen und der Innung drei Schillinge und ein Pfund Wachs geben.

Auch soll Niemand das Altschuhmachergewerk betreiben wider der Ratsherren und der Innung Willen, um damit Geld zu verdienen. Und Niemand soll in der Stadt alte, unausgebesserte Schuhe kaufen, ohne der Innung anzugehören; widrigenfalls er dem Rathe und den Innungsmitgliedern drei Schilling-Pfennige als Strafe zahlt.

Wenn Jemand von außerhalb die Gilde gewinnen wollte, der soll mit der Rathmannen Genehmigung den Innungsgenossen vier Schilling-Pfennige und ein Pfund Wachs für ihre Baldachine und Lichte geben. Wäre es, dass zwei Innungsgenossen in Streit geriethen, mit Worten oder thätlich, die sollen sich zur Schlichtung desselben zu den Gildemeistern begeben. Können diese eine Einigung nicht herbeiführen, so soll dem Rathe die Entscheidung zustehen, und wer von diesem für schuldig erklärt wird, der soll drei Schillinge an die Innung für Lichte zahlen.

Niemand der Innungsgenossen soll dem Andern sein Schuhwerk abkaufen, so lange die Innung noch Geld hat in der Büchse; erst wenn dasselbe ausgegeben ist, mögen die Genossen untereinander kaufen und verkaufen. Auch soll kein Kumpan von fremden Schuhmachern altes Werk, wie man die alten Schuhe nennt, bei Vermeidung der angegebenen Strafe, kaufen. Keiner soll eines Anderen Knecht (Gesellen) annehmen, bevor er von seinem Meister freiwillig entlassen ist, bei Strafe von drei Schillingen an die Innung.

Wer seine Aufnahme in die erwähnte Gilde wünscht, der soll ein unbescholtener, biederer Mann sein und dies beweisen durch ein Zeugnis der Stadt oder des Dorfes, wo er früher gewohnt oder gedient hat. Sollte aber Einer der Innungsgenossen öffentlich einer ehrlosen Handlung überführt werden, der ist von der Innung auszuschließen; und wer in eine der angeführten Strafen verfallen ist und sie nicht bezahlen wollte, dem ist sein Gewerk so lange zu verbieten, bis er die Strafsumme entrichtet hat, und dazu soll den Ungehorsam büßen mit der Innung höchster Strafe.

Deß zum Zeugnis und zu dauernder Bekräftigung aller genannten Punkte, haben wir unserer Stadt größtes Insiegel dieser Urkunde anhängen lassen. Gegeben und geschrieben nach Christi Geburt, im Jahre 1399, am heiligen Palmsonntag.

[Meyer, S. 19]