Geschäftsordnung der Berliner Schneider


berwelf ist weder klar, welche Teile des Textes genau überliefert sind noch woher diese stammen sollen - daher wird W. Bincke im Folgenden etwas großzügiger zitiert. Diesen Text nennt W. Bincke im Zusammenhang mit "der Zeit der bairischen und luxemburgischen Fürsten" - gemeint ist wohl das bayrische Geschlecht der Wittelsbacher, das 1323 die Landesherrschaft über Brandenburg erlangt. Die Bezeichnung Berlins als "königl. Festungsstadt" könnte vielleicht auf König Ludwig den Bayern aus dem Geschlecht der Wittelsbacher deuten.

Nachstehende "Geschäftsordnung" giebt ein anschauliches Bild von den Vorgängen in dem Gewerkshaufe und der Herberge. Die ganze Innung ist in verschlossenem Zimmer vor der offenen Lade versammelt. Nachdem der Altmeister dreimal mit dem Schlüssel der Lade angeklopft hat, beginnt er:

"Mit Gunst meine Herren! Meister und Gesellen wegens Handwerk, die Glocke hat neun geschlagen und unser gewöhnliches Johanni Quartal wird seinen Anfang nehmen. Mit Gunst, meine Herren; was Gesellen sind setzen sich, was Junggesellen bleiben an der Thür stehen, damit zu unterscheiden ist, was Geselle und was Junggeselle ist; der jüngste von den Junggesellen halte die Hand auf das Schloß, damit Niemand ohne Erlaubnis heraus noch hineingeht, bei Buße; es gehe Niemand im Zimmer auf oder ab; schaue Niemand zum Spiegel hinein, noch zum Fenster hinaus bei Buße. Mit Gunst, meine Herren, es werden jetzt (3mal klopfen) Lade, Büchse und Bücher geöffnet. (Die Lade ist geöffnet und wird das Szepter auch herausgenommen, darauf dreimaliges Anklopfen mit dem Szepter.) Mit Gunst, meine Herren! Lade, Büchse und Bücher sind geöffnet, es werden nun die Namen der Herren Meister verlesen; es achte ein jeder auf den Namen seines Meisters und trete dann Ehrerbietig mit zugeknöpftem Rock vor die Lade, und zahle seine Auflage in klingender Münze ohne dieselbe zu werfen bei Buße. (Es erfolgen die Zahlungen.) Mit Gunst, meine Herren, die fremden, zugereisten Gesellen, die hier in Arbeit getreten und noch nicht hier eingeschrieben sind, bitte näher zu treten. Haben sie schon in der königl. Haupt-, Kauf-, Lauf-, See-, Handel- und Wandel- und Festungsstadt (?) gearbeitet? (Dann erfolgt das Einschreiben.) Willkomen! Mit Gunst, meine Herren, so überreiche ich Ihnen den Willkommen aus meiner Rechten in Ihre Rechte; den selben haben Sie zu leeren in drei schmalen Zügen; ohne Ruck, Zuck, Mund- oder Bartwischen bis zur Nagelprobe; den ersten und letzten müssen Sie selbst trinken den zweiten können sie verschenken. Dann soll Ihr Name gelobt, gerühmt, gepriesen werden; nicht allein gelobt, gerühmt, gepriesen werden, sondern Weiß auf Schwarz verzeichnet werden; nicht allein weiß auf schwarz, sondern schwarz auf weiß geschrieben werden zum immer werdenden Andenken. Ist erlaubt mit beiden Händen anzufassen; es ist wohl erlaubt mit beiden Händen anzufassen; jedoch nur mit einer Hand beim Trinken bei Buße." Hierauf treten die Junggesellen vor, die ausgeschrieben werden. "Mit Gunst, meine Herren; es stehen die Junggessellen vor offener Lade. Wer klagen über dieselben vorzubringen hat, der trete hervor, und spreche jetzt und schweige nachher bei Buße." Hierauf folgte Kassen- und Rechnungsabschluß. Nach Beendigung des "amtlichen Theiles" bildete ein Festmahl mit Trinkgelage und sich anschließendem Balle oder Kränzchen den Schluß des Quartales.

[Meyer, S. 10]